Fünf Forderungen für bessere Arbeitsbedingungen von bildenden Künstler:innen in Bremen
Ein Positionspapier des Berufsverbandes Bildender Künstler*innen Bremen, des Künstlerinnenverbandes Bremen GEDOK, der Hochschule für Künste, des Künstlerhauses Bremen, der Galerie Mitte, des Güterbahnhofs Bremen – Areal für Kunst und Kultur
Janine Behrens, Monika B. Beyer, Petra Fiebig, Anja Fußbach, Norah Limberg, Julika Rudelius, Jula Schürmann, Marina Schulze, Antje Schneider, Nadja Quante, Doris Weinberger
Die Corona-Pandemie hat den Kultursektor und insbesondere den Bereich der Freien Künste mit besonderer Härte getroffen. Diese langanhaltende Krise verdeutlichte zum einen die Sonderposition von Kulturschaffenden im wirtschaftspolitischen Kontext und zum anderen die enorme gesellschaftliche Relevanz und Fähigkeit der Kulturszene, schnell auf aktuelle Situationen und Problemstellungen zu reagieren und diese zu diskutieren. Um die Produktions- und Wirtschaftskraft der Freien Bildenden Szene Bremens auch nach dieser einschneidenden Krise langfristig zu sichern, braucht es unter anderem eine intakte Infrastruktur aus Produktions- und Ausstellungsräumen, aus Stipendienprogrammen und Projektförderungen. Deshalb gilt es auch in Hinblick auf aktuelle und zukünftige Herausforderungen wie beispielsweise die Klima- und Energiekrise, weitere nachhaltige Maßnahmen zu etablieren, um das kreative Potenzial der Stadt zu halten und auszubauen und Bremen als innovativen Ort für Künstler:innen und künstlerische Produktion zu stärken.
Unsere Ziele:
- individuelle künstlerische Arbeit fördern
- experimentelle, kollaborative und interdisziplinäre Herangehensweisen unterstützen
- Infrastruktur der Freien Szene stärken
- Attraktivität von Bremen als Ort künstlerischer Produktion steigern
Folgende Maßnahmen sind unserer Ansicht dafür erforderlich:
1. Ausstellungsvergütung
Damit das Einkommen aus künstlerischer Arbeit existenzsichernd sein kann, braucht es unter anderem eine faire Vergütungkünstlerischer Leistungen im nichtkommerziellen, öffentlichen Ausstellungsbereich. Denn: die meisten Künstler:innenarbeiten in und für Ausstellungen nach wie vor unentgeltlich. Nachdem sich die verbindliche Ausstellungsvergütung in diversen anderen Städten und Bundesländern bewährt hat, fordern wir eine verbindliche Einführung der Ausstellungsvergütung für alle Institutionen und freie professionelle Ausstellungsorte in Bremen. Diese sind aktuell:GaDeWe, GAK – Gesellschaft für aktuelle Kunst, Galerie Herold, Galerie Mitte, Gerhard-Marcks-Haus, Künstlerhaus Bremen, Kunsthalle Bremen, Museen Böttcherstraße, Spedition e.V, Städtische Galerie Bremen, Weserburg Museum für zeitgenössische Kunst und das Wilhelm-Wagenfeld-Haus. Freie, professionelle Ausstellungsprojekte, die über eine Projektmittelförderung vom Senator unterstützt werden, müssen ebenso Ausstellungsvergütungen ausschütten.
Nach diversen öffentlichen Ankündigungen gehen wir davon aus, dass der Senator für Kultur die Bereitstellung dieser zusätzlich benötigten Mittel für die Ausstellungsvergütung spätestens im Doppelhaushalt 2024/2025 implementiert, um die Umsetzung für die geförderten Institutionen und Projekte zu sichern. Wir empfehlen die »Leitlinie Ausstellungsvergütung« des Bundesverbands Bildender Künstler:innen (BBK) aus dem Dezember 2022 als Orientierung zur Berechnung.
2. Arbeitsstipendien
Die seit November 2020 realisierten Produktionsstipendien in Bremen haben sich als ein erfolgreiches und politisch wirksames Förderinstrument erwiesen, um den prekären Arbeitsbedingungen von Künstler:innen etwas entgegenzusetzen. Sie ermöglichen eine freie Entwicklung und Umsetzung von künstlerischen Vorhaben unabhängig von den Medien und außerhalb einer kommerziellen Verwertung, die einige künstlerische Ansätze (wie Performance, temporäre Aktionen, Installationen, Medien- Kunst etc.) benachteiligt.
Dieses Erfolgskonzept soll, wie in vielen weiteren deutschen Städten bereits passiert, als langfristiges Instrument in die Förderlandschaft Bremens etabliert werden. Wir fordern somit das Installieren von Arbeitsstipendien für im Bremer Raum lebende und arbeitende Künstler:innen auf Grundlage des Konzepts der AG Künstler:innenförderung von 2021. Dieses umfasst möglichst zahlreiche Arbeitsstipendien in Höhe von aktuell 1500 EUR monatlich, also 4500 EUR für drei- monatige Stipendien und 9000 EUR für sechs Monate.
3. Erhöhung der Projektmittel
Die Projektmittelförderung des Senators für Kultur in Bremen umschließt beispielsweise Förderungen für freie Produktionen und Projekte, Ausstellungsvorhaben, Kataloge, Websites, Recherche- und Reisestipendien und interdisziplinäre Projekte. Hier beobachten wir in den letzten Jahren eine signifikante Überzeichnung:
Diese sich steigernde Überzeichnung (beantragte, aber nicht bewilligte Fördermittel) ist zum einen durch die regen Aktivitäten der Bremer Kunstszene zu begründen, zum anderen durch die notwendige Möglichkeit, seit 2021 Künstler:innenhonorare einzustellen, um unbezahlte Arbeit zu vermeiden. Dadurch sind die Kosten der einzelnen Projekte und die Überzeichnung des Projektmitteltopfes insgesamt gestiegen.
Wenn der Projektmitteltopf nicht entsprechend erhöht wird, kann als Konsequenz folgen, dass weniger teurere Projekte gefördert werden, was die Diversität der Kulturlandschaft gefährden könnte. Außerdem ist, ebenso wie alle anderen gesellschaftlichen Bereiche auch, die künstlerische Produktion durch die Inflation berührt, wodurch die Projektkosten noch einmal entsprechend steigen. Wir fordern eine deutliche Erhöhung der Projektmittel für den Bereich der bildenden Kunst um mindestens 50 000 EUR. Diese Summe entspricht einem prozentualen Aufwuchs von 20 Prozent der durchschnittlichen Überzeichnung von 2018–2023.
Außerdem fordern wir aufgrund der zunehmenden Bedarfe im Bereich Digitalisierung einen dauerhaften Sonder-Digitalisierungs-Topf für die Bildende Kunst in Höhe von 50 000 EUR, über den Homepages, die Digitalisierung und Archivierung der künstlerischen Arbeit inkl. der Erstellung von Werkverzeichnissen und weitere Digitalisierungs-Projekte gefördert werden können.
4. Bereitstellung und Sicherung von Räumen
Ein grundsätzliches und sich zuspitzendes Problem ist der Mangel an kostengünstigen und- langfristigen Raumnutzungs-Angeboten für die künstlerische Produktion. Produktionsorte wie das Künstlerhaus Bremen, das Atelierhaus im Güterbahnhof – Areal für Kunst und Kultur sowie das temporäre Kelloggs-Areal (Zwischennutzung) stellen kostengünstige Ateliers, das neue Zentrum für Kunst im Tabakquartier in Form von Atelierresidenzen sogar kostenfreie Arbeitsplätze für mehrjährige Nutzungen zur Verfügung. Dies mildert jedoch nicht die strukturellen Herausforderungen durch Raummangel und die Gewinnorientierung des Immobilienmarkts. Es bedarf langfristiger Interventionen in die Stadtraumplanung, um Bremen in Hinblick auf Räume für künstlerische Produktion attraktiv zu machen.
Wir empfehlen für weitere Überlegungen zur Bereitstellung von Räumen eine ressortübergreifende Kooperation unteraktiver Beteiligung von Akteur:innen der Bildenden Künste, Wirtschaft, Stadtplanung und Quartiersentwicklung. Wir fordern, dass Orte für künstlerische Produktion in jeglichen Vorhaben der Stadtentwicklung berücksichtigt werden.
4.1. Erhalt und Erweiterung des Bestands
Um die steigenden Miet-, Energie- und Sanierungskosten abzumildern, ist es notwendig, die finanzielle Unterstützung für Institutionen, Initiativen und Vereine, die Ateliers bereitstellen, anzupassen.
Darüber hinaus braucht es ein Sonderfinanzierungsprogramm zur energetischen Erneuerung bestehender Institutionen und Atelierhäuser, damit den wachsenden Herausforderungen durch Klimawandel und Energieverknappung begegnet werden kann. Daher ist es wichtig, Orte künstlerischer Produktion in den Programmen zur Umsetzung der Klimaschutzstrategie für das Land Bremen zu berücksichtigen, damit Klimaneutralität erreicht werden kann.
4.2. Atelierförderungen
Künstler:innen können die Ateliermieten, die heute verlangt werden, aus den derzeitigen Einkünften ihrer künstlerischen Arbeit kaum erwirtschaften. Insbesondere für den künstlerischen Nachwuchs ist es nahezu unmöglich, Arbeitsräume zu finanzieren. Deshalb sprechen wir uns für die Einrichtung von Atelierförderungen in Form von Mietzuschüssen für Atelierräume aus. Als Beispiel können die Modelle der Städte Stuttgart, Nürnberg, Dortmund, Mannheim und München dienen, die sich an den jeweiligen finanziellen Situationen der Künstler:innen und den geltenden Mietdurchschnittspreisen orientieren.
5. Ausbau des Ankaufsetats und der Städtischen Sammlung sowie der Programme KiöR und Kunst am Bau
Wir empfehlen dringend die Wiederbelebung des Ankaufsetats des Bundeslandes Bremen. Die zeitgenössische Entwicklung der Kunst dieser Stadt spiegelt sich nicht mehr in der Städtischen Sammlung wider. Es besteht nicht einmal mehr die Möglichkeit, Werke der Kunstpreisträger:innen der Stadt anzukaufen. Die künstlerische Identität der Stadt und damit verbunden die Wertschätzung der Künstler:innen ist an dieser Stelle abgebrochen. In einer städtischen Sammlung lassen sich die jeweilige Entwicklungen, auch bedingt durch die ortsansässige Hochschule für Künste und ihren international renommierten Professor:innen, ablesen und auch im Nachgang einordnen. Ankäufe sind daher eine wichtige Maßnahme einer qualitativen Künstler:innenförderung und eine langfristige Form der Geschichtsschreibung der Stadt.
In diesem Zusammenhang müssen die Programme für Kunst im öffentlichen Raum (KiöR) und Kunst am Bau-Projekte des Bundeslandes reaktiviert werden. Weder in der städtischen Sammlung noch im Außenraum wird die aktuelle Kunst aus und für Bremen signifikant sichtbar. Daher fordern wir eine Wiedereinführung der Programme Kunst im öffentlichenRaum (KiöR) und Kunst am Bau in Bremen sowie eines Ankaufsetats.
Lesen Sie das ganze Positionspapier hier in der UpArt.