44. Bremer Förderpreis für Bildende Kunst 2020 geht an Norman Sandler
Wir gratulieren unserem Mitglied Norman Sandler zur Auszeichnung mit dem 44. Bremer Förderpreis für Bildende Kunst 2020!
In einem zweistufigen Verfahren wurde er unter anderem für seine Zeichnungen aus der Serie Deko und Diskurs als Preisträger ausgewählt. Diese besteht aus sechs Zeichnungen, von denen fünf in der Ausstellung in der Städtischen Galerie Bremen gezeigt werden. Die übrige Zeichnung befindet sich in einer privaten Kunstsammlung und wird stellvertretend durch eine der anderen Zeichnungen repräsentiert. Ausgangspunkt der Serie ist eine Ausschreibung der Arthur Boskamp-Stiftung, in der nach „{…} Positionen {gesucht wird}, die an der Schnittstelle von sozialer Reproduktion und sozialer Gerechtigkeit angesiedelt sind.“
„Durch die zeichnerische Adaption des Textes wird dieser selbst zum Thema der Arbeit. Er wird zum Bild und damit Grundlage und Ausgangspunkt für eine bildnerische Spekulation über Wert und Rolle der Kunst zwischen Autonomie, Produkt und Forderungen nach gesellschaftlicher Relevanz.“ (Norman Sandler)
Die Begründung der Jury lautet wie folgt:
„Dass Norman Sandler ein virtuoser Zeichner ist, erschließt sich erst auf den zweiten Blick – zunächst erscheinen die gerahmten Schriftstücke seiner sechsteiligen Arbeit „Deko und Diskurs“ wie Ausdrucke einer PDF, Screenshots von E-Mail-Korrespondenzen und eine Rechnungskopie, deren Druckbild einen baldigen Kartuschenwechsel empfiehlt. In der Installation „Ohne Titel“ mutet ein Portemonnaie-Sammelsurium – Kontoauszüge, Quittungen, verfärbte Zettel – an, als sei es nachlässig in einer Ausstellungsvitrine vergessen worden.
Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass alles hier Gezeigte akribisch, meisterhaft und illusionistisch gezeichnet wurde, also Bilder und nicht Texte zu sehen sind. Damit steht Sandler in der bereits auf die Antike zurückgehenden Tradition des Trompe l’oeil, der Augentäuschung, die in der Gegenwartskunst vor allem in Fotorealismus oder Murals aufscheint. Sandlers Vitrinen Installation knüpft zudem an die – noch spezifischere – Form des Quodlibets an, der bildnerischen Umsetzung einer Häufung ungeordneter Kleinigkeiten. Mit seinen Arbeiten spiegelt er augenscheinlich vor, nicht Kunst, sondern Wirklichkeit zu produzieren. Doch Sandlers Werke sind mehr als ästhetisch virtuose Spielereien – sie sind versponnen in ein feines konzeptuelles Netz, in das zudem Fragen nach den Bedingungen von künstlerischer Produktion, Institutionskritik und eine Reflektion des Kunstmarkts verwoben sind.
Die Werke Sandlers laden ein zur Auseinandersetzung mit den Themen Wirklichkeit und Wert, stellen die technologiegeprägte Umwelt zur Diskussion, indem das Zeichnerische der digitalen Perfektion ebenbürtig erscheint, und üben zugleich Ökonomiekritik, indem der Künstler das, was sich in Sekunden reproduzieren ließe, in einem tagelangen aufwändigen Prozess nachkreiert. Damit wird er zum Protagonisten einer umgekehrten Verweigerungshaltung, die sich in der Übererfüllung nicht gestellter Aufgaben manifestiert. Zudem erfährt Alltägliches, Ephemeres und Beiläufiges durch den aufwändigen künstlerischen Prozess eine enorme Aufwertung – und wird so zur Kostbarkeit.“
Die Hauptjury setzte sich aus Jenni Henke (Westfälischer Kunstverein), Noor Mertens (Kunstverein Langenhagen), Susanne Pfleger (Städtische Galerie Wolfsburg), Thomas Rentmeister (Künstler und Professor an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig), Petra Stegmann (Kunsthalle Wilhelmshaven) zusammen.