K.Ö.N.I.G./K.Ö.N.I.G Dienst am Kunden - Nr.1
K.Ö.N.I.G./K.Ö.N.I.G Dienst am Kunden ist ein einjähriges Forschungsprojekt mit einer einleitenden überregionalen Künstlerkonferenz, Ausstellungen, Performances, Vorträgen, Workshops, Gesprächen, Film und Aktionen im Öffentlichen Raum. Es stellt die Frage nach den Möglichkeiten resp. Notwendigkeiten künstlerischen Handelns in der sogenannten Dienstleistungsgesellschaft.
In der anhaltenden Situation ökonomischer Krisen erscheint Dienstleistung als ein Heilmittel, das noch Zuwachsraten durch Eroberung neuer Märkte bzw. Schaffung neuer Bedürfnisse ermöglicht. Der Kunstbereich ist von dieser Hoffnung infiziert, Künstler*innen reagieren unterschiedlich darauf.
Consumer Culture … Sozialarbeit … Liebesdienst … Programming of Sensations …
29. Oktober – 1. November 1998
In dem temporären Einbau in den Ausstellungsraum des Künstlerhauses von 10 gleichen, mit Türen verschließbaren Räumen betreiben die beteiligten Künstler*innen über den gesamten Zeitraum ihre Agenturen:
- Friederike Dönnges, Roswitha Dönnges, Karin Hinterleitner, Simon Götz (Stuttgart): Büro für urbanes Empfinden
- Derk Claassen, Andreas Kotulla (Bremen): Das Duo Daheim
- Roland Eckelt (Berlin): Werte und Helden
- Manfred Kirschner (Bremen): Agentur für corporate alternative identity
- Gabriele Konsor (Berlin): AURACOR®
- Jürgen Krusche (Zürich), Hainer Wörmann (Bremen): geHÖRgang
- Anne Lorenz (London): Krone
- Ilona J. Plattner (Münster): Heimsuchung
- Marianne Tralau (Köln): Agentur für unbeabsichtigte Kunst im öffentlichen Raum
- Reiner Will (Bremen): Über das Tetraeder – ein Gedankenaustausch
Begleitende Aktionen im Galerieraum
- Maike Hartwig (Bremen): DIENSTLICH/PRIVAT eine untersuchende Aktion
- Elke Bippus (Hamburg), Andrea Sick (Bremen): „Autonome Agenten“ im (Kunst) Betrieb
Begleitende Vorträge, Lecture Performances, Video und Film
- Holger Kube Ventura (Hamburg): Interesting. Das Unternehmen Kunst
- Bernd Gammlin (Berlin): Sprachdienste – Diskurs und Dienstleistung
- Raimar Stange (Hannover): Dan Peterman - Kunst als Köder
- Annette Weisser (Berlin): Die Kunst des Arbeitens – immaterielle Arbeit im Postfordismus
- Annette Weisser, Ingo Vetter (Berlin): „Was zählt, ist nicht die Gegensätze aufzulösen sondern sie gleichzeitig einzunehmen“ (Video)
- Roland Eckelt (Berlin): „Denkt Kunst?“ (Super-8-Film)
Konzept und Organisation: Anne Schlöpke, Ute Ihlenfeldt, Maike Hartwig, Heike Walter (Künstlerhaus Bremen)
Arnold Schalks, Rotterdam, 31. Januar 1998:
Kultur ist das Sammelbecken unterschiedlicher Ansichten von Individuen (z.B. bildende Künstler), die sich weigern, die objektive Wirklichkeit ohne weiteres hinzunehmen, und die dafür eine persönliche Alternative anbieten. Die Künstler bewegen sich im Raum des freien Verbindungs-, Assoziations- und Synthetisierungsgeschäfts. Sie sammeln, analysieren, forschen und schlagen letztendlich ein neues Arrangement vor. Künstler sind mobil. Sie verlassen ihre Werkstätte auf der Suche nach Quellen und Stellen für ihre einmaligen ortsgebundenen Arbeiten. Sie sind Außenraumgestalter. Die Kunst überrascht, überrumpelt, indem sie in einem nie vorhersagbaren Kontext auftaucht. Seitdem Künstler sich handelsübliche Strategien angeeignet haben, sind sie imstande von 'lebensechten' Marktpositionen aus zu operieren. Die Verwirrung, die dadurch beim Publikum entsteht, eröffnet ein neues Absatzgebiet.
Die Werbung sowie die Kunst bedient sich des Hebels der Verführung und des Versprechens. Kunst und Werbung suggerieren und manipulieren beide. Das Ziel der Werbung aber besteht daraus, das Konsumverhalten direkt und auf quantitativ spürbare Weise zu beeinflussen, wo die Kunst einen langfristigen Effekt (Affekt) auf die Qualität des Handelns, der Wahrnehmung und des Bewußtseins der Empfänger beabsichtigt. Die Künstler vertreten zunächst das Detail, den Ausschnitt, das Unscheinbare, den Zusammenhang, das Immaterielle. Sie betreiben das Gewerbe der Freilegung des Poetischen im prosaischen Umfeld. In der Öffentlichkeit entwickeln sie sich, spielend, zu 'Einzelheitskrämern'. Die Kunstwerke wollen eher reflektieren als kommunizieren: sie spiegeln den Betrachtern (etwas vor). So lenken sie die Aufmerksamkeit der Passanten auf die Kunst. Auf diese Weise tragen Künstler zur sozialen Perspektive bei und leisten sie einen Dienst.
Um bemerkt zu werden braucht der Künstler chamäleonische Eigenschaften und Fähigkeiten.
Künstler sollen wendig sein und bleiben und haben deswegen kein Interesse an einem praktischen oder theoretischen Spezialgebiet. Die intellektuellen Omnivoren unter den zeitgenössischen Künstlern sind am meisten überlebungsfähig. Spezialisierung kann vorübergehend nützlich sein insofern sie projektspezifisch ist. Sie ist nur dann sinnvoll wenn sie der Schärfe des endgültigen 'Bildes' zugutekommt. Wenn Künstler sich schon spezialisieren, dann auf dem Gebiet der Kultivierung ihres eigenen Erstaunens.