Christiane Fichtner

 

Christiane wird 1974 in Alsfeld geboren und wächst dort mit ihrem 6 Jahre älteren Bruder in einer bürgerlichen Familie auf. Die Kindheit und Jugend verläuft unspektakulär.

Nach dem Abitur macht sie eine Ausbildung zur Maskenbildnerin in Köln. Eine junge Kollegin realisiert ein Projekt zur Aufnahme an einer Kunsthochschule mit dem Titel "Zwillingsschwestern!". Christiane ist dabei, als auf dem Laufsteg zwei kaum zu unterscheidende Mädchen auftreten. Sie ist tief beeindruckt.

Die Thematik lässt ihr keine Ruhe, bis sie Rahel kennen lernt, der sie sehr ähnlich sieht. Sie unternehmen viel gemeinsam und gehen vor allem nachts häufig aus. In ihrer Anwesenheit fühlt sie sich bestätigt, und ihre Schüchternheit scheint wie weggeblasen zu sein. Befremdet von Christianes Hunger nach Identifikation distanziert sich Rahel nach einiger Zeit von ihr.

Christiane sucht erneut nach Doppelgängerinnnen. Sie macht sich ihre Fähigkeiten als Maskenbildnerin zunutze, um immer unterschiedlichere Personen in Zwillingsschwestern zu verwandeln, sie dann zu fotografieren und mit ihnen auszugehen. Immer auf der Suche nach einer neuen Erweiterung ihrer Person verselbständigt sich ihr Verlangen zunehmend.

Unter dem Namen Christiane Fichtner tritt sie nun mit den Fotografien der Doppelgängerinnen recht erfolgreich als Künstlerin auf. Sie unterschlägt allerdings die wahre Identität der dargestellten Personen. Kaum jemand lässt sich nicht davon überzeugen, dass sie selbst das Motiv sei.

Durch das Erleben dieser Fiktion erkennt sie, dass die reine Spiegelbildlichkeit den Zuschauer nur dazu reizt, die Unterschiede zwischen den dargestellten Personen zu suchen - dies empfand sie auch damals am Laufsteg. Ist die Ähnlichkeit allerdings nicht so frappierend, ist man als Zuschauer eher bestrebt, Gemeinsamkeiten zu finden und sich der Spannung zu erfreuen.

Wegen der Beschwerde einer Person, die sich in Christianes Ausstellung wiedererkennt, und einem daraus resultierenden Rechtsstreit, wird ein psychologischer Gutachter hinzugezogen. In einem unserer Gespräche fordert sie mich schließlich auf, ihre wahre Biografie öffentlich zu Protokoll zu geben.

Entgegen meinem beruflichen Ethos (und als Privatperson) erkläre ich mich dazu bereit.

Text: C. K. Schiuma